Befangenheit von Prüfern: Macht die Befragung von Prüfern Sinn? Debattieren Sie mit!
Zitat von Spruchverfahren Redaktion am 18. März 2020, 11:24 UhrGrundsätzlich sind in aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen (Squeeze-out, Abschluss von Unternehmensverträgen, Verschmelzung etc.) die festgesetzten Kompensationen (Barabfindung, Ausgleich etc.) zum Schutz der Interessen von Minderheitsaktionären von sachverständigen Prüfern zu prüfen.
Weil sich diese Prüfung nur auf die Vertretbarkeit von Annahmen (sowohl hinsichtlich der Planung der zukünftigen finanziellen Überschüsse als auch der Parameter des Kapitalisierungszinssatzes) beschränkt, kommt es so gut wie nie vor, dass Prüfer Einwände gegen die Bewertung von Hauptaktionären erheben; die Prüfung läuft damit faktisch ins Leere.
Trotzdem beschränken sich viele Gerichte auf die Anhörung nur des Prüfers anstatt die Bewertung im Ganzen oder in Teilen einer sachverständigen Begutachtung zu unterziehen. Das sich die Antworten der Prüfer auf die Bestätigung ihres bereits testierten Ergebnisses beschränken, versteht sich vor dem Hintergrund möglicher Haftungsrisiken, wenn Fehler zugegeben würden, von selbst.
Diese Praxis könnte jedoch bald ein Ende haben. Im Spruchverfahren zur Prüfung der Angemessenheit von Barabfindung und Ausgleich des mit der Wincor Nixdorf AG (neu firmierend unter Diebold Nixdorf AG) hat das Landgericht Dortmund (Beschluss vom 9. Januar 2020 – 18 O 9/17 [AktE]) die in der Rechtsprechung noch ungeklärte Stellung des Prüfers umschrieben und grundsätzlich dessen Ablehnung wegen Befangenheit anerkannt:
„Nach der Regelung in § 8 Abs. 2 SpruchG ist der sachverständige Prüfer grundsätzlich als sachverständiger Zeuge anzusehen; ein Zeuge kann nicht als befangen abgelehnt werden.
Eine solche Sichtweise wird indes. den Besonderheiten der Stellung des sachverständigen Prüfers nicht gerecht.
Die Tätigkeit des sachverständigen Prüfers besteht im Wesentlichen nicht in der Dokumentation von Tatsachen, sondern in deren Bewertung aufgrund von Sachwissen, insoweit weist das SpruchG dem Prüfer eine spezielle, hybride Beweisrolle zu, und installiert ihn als sachverständige Hilfsperson des Gerichts (Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 9, 3. Auflage 2013, § 8 SpruchG RdNr. 15 und 16), dessen Prüfbericht, ergänzende Stellungnahme und Anhörung eine ausreichende Grundlage für die gerichtliche Schätzung des Unternehmenswerts gem. § 287 Abs. 2 ZPO darstellen können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2015, 26 W 22/14, zitiert nach juris RdNr. 39). Damit nähert sich die Funktion des sachverständigen Prüfers eher der eines Sachverständigen als der eines Zeugen mit der Folge, dass er dann aber ebenso wie ein Sachverständiger abgelehnt werden kann (hiervon geht auch etwa das OLG Frankfurt ohne Weiteres aus: vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2.5.2011, 21 W 3 / 11, zitiert nach juris RdNr. 43).“
Zwar hat das Gericht im konkreten Fall keine Befangenheit angenommen, jedoch eröffnet diese Beurteilung grundsätzlich die Möglichkeit der Ablehnung von Prüfern.
Grundsätzlich sind in aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen (Squeeze-out, Abschluss von Unternehmensverträgen, Verschmelzung etc.) die festgesetzten Kompensationen (Barabfindung, Ausgleich etc.) zum Schutz der Interessen von Minderheitsaktionären von sachverständigen Prüfern zu prüfen.
Weil sich diese Prüfung nur auf die Vertretbarkeit von Annahmen (sowohl hinsichtlich der Planung der zukünftigen finanziellen Überschüsse als auch der Parameter des Kapitalisierungszinssatzes) beschränkt, kommt es so gut wie nie vor, dass Prüfer Einwände gegen die Bewertung von Hauptaktionären erheben; die Prüfung läuft damit faktisch ins Leere.
Trotzdem beschränken sich viele Gerichte auf die Anhörung nur des Prüfers anstatt die Bewertung im Ganzen oder in Teilen einer sachverständigen Begutachtung zu unterziehen. Das sich die Antworten der Prüfer auf die Bestätigung ihres bereits testierten Ergebnisses beschränken, versteht sich vor dem Hintergrund möglicher Haftungsrisiken, wenn Fehler zugegeben würden, von selbst.
Diese Praxis könnte jedoch bald ein Ende haben. Im Spruchverfahren zur Prüfung der Angemessenheit von Barabfindung und Ausgleich des mit der Wincor Nixdorf AG (neu firmierend unter Diebold Nixdorf AG) hat das Landgericht Dortmund (Beschluss vom 9. Januar 2020 – 18 O 9/17 [AktE]) die in der Rechtsprechung noch ungeklärte Stellung des Prüfers umschrieben und grundsätzlich dessen Ablehnung wegen Befangenheit anerkannt:
„Nach der Regelung in § 8 Abs. 2 SpruchG ist der sachverständige Prüfer grundsätzlich als sachverständiger Zeuge anzusehen; ein Zeuge kann nicht als befangen abgelehnt werden.
Eine solche Sichtweise wird indes. den Besonderheiten der Stellung des sachverständigen Prüfers nicht gerecht.
Die Tätigkeit des sachverständigen Prüfers besteht im Wesentlichen nicht in der Dokumentation von Tatsachen, sondern in deren Bewertung aufgrund von Sachwissen, insoweit weist das SpruchG dem Prüfer eine spezielle, hybride Beweisrolle zu, und installiert ihn als sachverständige Hilfsperson des Gerichts (Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 9, 3. Auflage 2013, § 8 SpruchG RdNr. 15 und 16), dessen Prüfbericht, ergänzende Stellungnahme und Anhörung eine ausreichende Grundlage für die gerichtliche Schätzung des Unternehmenswerts gem. § 287 Abs. 2 ZPO darstellen können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2015, 26 W 22/14, zitiert nach juris RdNr. 39). Damit nähert sich die Funktion des sachverständigen Prüfers eher der eines Sachverständigen als der eines Zeugen mit der Folge, dass er dann aber ebenso wie ein Sachverständiger abgelehnt werden kann (hiervon geht auch etwa das OLG Frankfurt ohne Weiteres aus: vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2.5.2011, 21 W 3 / 11, zitiert nach juris RdNr. 43).“
Zwar hat das Gericht im konkreten Fall keine Befangenheit angenommen, jedoch eröffnet diese Beurteilung grundsätzlich die Möglichkeit der Ablehnung von Prüfern.
Zitat von t.schneider am 20. März 2020, 19:30 UhrEndlich erkennt ein Gericht, dass auch Prüfer nicht das Blaue vom Himmel runterlügen dürfen!! Die Nähe zum Hauptaktionär, der ihn beauftragt, bezahlt und meistens auch auswählt, lässt ihn nur allzu oft in die Rolle dessen Gehilfen schlüpfen.
Endlich erkennt ein Gericht, dass auch Prüfer nicht das Blaue vom Himmel runterlügen dürfen!! Die Nähe zum Hauptaktionär, der ihn beauftragt, bezahlt und meistens auch auswählt, lässt ihn nur allzu oft in die Rolle dessen Gehilfen schlüpfen.
Zitat von martin buettner am 22. März 2020, 23:01 UhrAber laut Gesetz ist der Prüfer sachverständiger Zeuge. Wie kann ein Zeuge wegen Befangenheit abgelehnt werden. Man denke nur an die (lebensfremden) Gerichtssendungen im Fernsehen. Unabhängig von der mäßigen schauspielerischen Leistung, wären die in echt alle befangen. Welche Mutter oder welcher Vater ist in der Aussage gegen das eigene Kind nicht befangen?
Warum soll für einen sachverständigen Zeugen etwas anderes gelten?
Aber laut Gesetz ist der Prüfer sachverständiger Zeuge. Wie kann ein Zeuge wegen Befangenheit abgelehnt werden. Man denke nur an die (lebensfremden) Gerichtssendungen im Fernsehen. Unabhängig von der mäßigen schauspielerischen Leistung, wären die in echt alle befangen. Welche Mutter oder welcher Vater ist in der Aussage gegen das eigene Kind nicht befangen?
Warum soll für einen sachverständigen Zeugen etwas anderes gelten?
Zitat von t.schneider am 27. März 2020, 12:35 UhrWeil das Ergebnis der Befragung von vornherein feststeht. Möge sich doch einmal jemand melden, der schon erlebt hat, dass ein Prüfer sein Prüfungsergebnis revidiert. Ich kenne jedenfalls keinen.
Weil das Ergebnis der Befragung von vornherein feststeht. Möge sich doch einmal jemand melden, der schon erlebt hat, dass ein Prüfer sein Prüfungsergebnis revidiert. Ich kenne jedenfalls keinen.
Zitat von Peter Borchers am 1. April 2020, 18:39 UhrGanz meiner Meinung; aber einmal habe ich das erlebt: Der Prüfer der Barabfindung beim Squeeze-out der DIH in Bremen hat offen zugegeben, dass er sich geirrt hat und das mit der „Prüfungssituation“ begründet. Das gefiel zwar dem Hauptaktionär gar nicht, fand aber beim Gericht großen Anklang, denn damit wurde die Aussage des Prüfers aus Sicht des Gerichts nur noch glaubwürdiger.
Ganz meiner Meinung; aber einmal habe ich das erlebt: Der Prüfer der Barabfindung beim Squeeze-out der DIH in Bremen hat offen zugegeben, dass er sich geirrt hat und das mit der „Prüfungssituation“ begründet. Das gefiel zwar dem Hauptaktionär gar nicht, fand aber beim Gericht großen Anklang, denn damit wurde die Aussage des Prüfers aus Sicht des Gerichts nur noch glaubwürdiger.
Zitat von juergensen am 5. April 2020, 22:18 UhrAlso mehr Mut, Fehler zuzugeben?
Also mehr Mut, Fehler zuzugeben?
Zitat von Peter Borchers am 5. April 2020, 22:28 UhrGenau!
Genau!
Zitat von Thomas Juelke am 9. April 2020, 17:31 UhrDa fürchte ich aber, dass so ein Prüfer nie wieder von Hauptaktionären vorgeschlagen wird.
Da fürchte ich aber, dass so ein Prüfer nie wieder von Hauptaktionären vorgeschlagen wird.